Ivan in Peru

„Die wohl schönsten und kurzweiligsten fünf Monate meines Lebens“

50 Mädchen bewohnten während meinem Volontariat das Heim. Die Mädchen leben in fünf Familien zu jeweils fünf bis elf Mädchen. Für jede dieser Familien ist eine der fünf Nonnen verantwortlich. Die Familien leben aber sehr selbstständig und werden jeweils von den älteren Familienmitgliedern geführt. Das übliche Alter der Mädchen liegt zwischen 0 und 18 Jahren. Es leben auch einige ältere Mädchen im Heim, welche entweder am Studieren sind oder nicht in der Lage sind, das Heim zu verlassen. Die Kinder werden üblicherweise von den Fürsorgebehörden beim Heim abgegeben. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig; Gewalt im Elternhaus, drogenabhängige Mütter, extreme Armut in den Familien etc.

Ich wollte mein Wissen als Bäcker in meinem Volontariat einsetzen

Ganz gezielt fragte ich bei Voyage-Partage nach einem Einsatz im Zusammenhang mit Lebensmitteln. Ich bin gelernter Bäcker-Konditor und Lebensmittelingenieur und wollte dieses Wissen auch während meinem Volontariat einsetzen können. Bereits am zweiten Tag in Piura wurde ich um Mithilfe in der Bäckerei gefragt und ab dann war ich nahezu jeden Tag in der Bäckerei.

Schnell beauftragten mich die Schwestern mit den Mädchen einen Backstubenkurs durch zuführen. Von da an machte ich mit den Mädchen und Nonnen einen Kurs über vier Wochen. Mit allen vier „Familien“ führte ich jeweils dasselbe Programm durch. Nach jeweils vier Wochen wechselten wir zum nächsten Kurs. Ich versuchte dabei den Mädchen das Handwerk des Bäckers so gut wie möglich beizubringen und sie dabei so selbstständig wie möglich arbeiten zu lassen.

Mein ungefährer Tagesablauf während der Schulzeit bestand aus den folgenden Elementen:
Aufstehen – Frühstück mit den Nonnen – Spanischunterricht (1-3x pro Woche) – Einkauf der Zutaten – Fitness (1-3x pro Woche), Vorbereitung des Unterrichts – Mittagessen mit den Nonnen – Nachhilfe mit den Kindern – Gitarre spielen – Abendessen – Unterricht in der Backstube – Rosenkranz mit den Kindern – Nachtruhe.

Bäckereikurs und Mathematik in einem

Jeweils in der ersten halben Stunde meines Bäckereikurses berechneten wir anhand der Anzahl bestellten Brötchen die Menge der Zutaten. Den meisten Mädchen des Heimes fiel das Rechnen aber sehr schwer. Dementsprechend war der Bäckereikurs auch immer ein bisschen eine Mathematiklektion.

Auch ausserhalb des Bäckereikurses gab ich den Mädchen gerne Mathematiknachhilfe. Oft war dabei sehr viel Kreativität gefragt, da einige Mädchen mit Binomen zu mir kamen, aber einfache Grundrechnungen nicht lösen konnten. Wohl genau aus diesem Grund genoss ich diese abwechslungsreichen und herausfordernden Stunden sehr.

Die schönen Momente überwogen die anfänglichen Schwierigkeiten

Der erste Monat in Piura war für mich ziemlich herausfordernd. Die Gründe dafür waren vielfältig; einerseits war mein Spanisch sehr schlecht. Oft verstand ich nicht alles auf Anhieb korrekt und es viel mir dementsprechend schwer mich selber mitzuteilen. Auch löste meine Anwesenheit bei einigen Mädchen Eifersüchteleien aus. So kam es einige Male vor, dass die eine oder andere beleidigt war, wenn ich an einem Tag mit einer anderen mehr gesprochen habe als mit ihr. Mir war es wirklich wichtig, alle Mädchen gleich zu behandeln und es dauerte ein Weilchen, bis alle Mädchen begriffen, dass ich für alle da bin. Dazu kam, dass die ersten Monate in Piura extrem heiss waren. Das machte mir aber auch den Einheimischen vor allem an den Nachmittagen zu schaffen.Aber auch in dieser etwas schwierigen Anfangszeit überwiegten die freudigen und schönen Momente die etwas weniger schönen. Ich fühlte mich sehr wohl bei meiner Arbeit in der Bäckerei, beim Umgang mit den Mädchen, den Lehrerpersonen und den Nonnen und genoss überhaupt all das Fremde.

Sicht der Gastgebenden

Aus den Gesprächen mit den Schwestern entnehme ich, dass es ihnen wichtig ist, dass die Volontäre kommunikativ, selbstständig, freudig und optimistisch sind. Ausserdem sollten sie auch von sich aus den Zugang zu den Mitmenschen suchen und relativ flexibel sein. Wenn man dazu noch unkompliziert ist, Spanisch einigermassen beherrscht und vielleicht auch im Glauben verwurzelt ist, ist das umso besser.

Die wohl schönsten Monate meines Lebens

Die Lust auf das Fremde, fern von der Heimat lockte mich nach Peru. Dort durfte ich echte Gastfreundschaft, eine herausfordernde Tätigkeit als Bäcker-Konditor, eine andere Kultur, wunderbar witzige Mädchen und eine riesen Vielfalt an exotischen Früchten geniessen. Diese Mischung bescherten mir wohl die schönsten und kurzweiligsten fünf Monate meines Lebens.