Anna in Rumänien

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Szia stók!

Nun ist bereits ein Monat seit meiner Ankunft hier in Gheorgheni vergangen. Höchste Zeit, euch mit meinen Erzählungen zu bombardieren!

Das Heim Szent Anna Otthon gehört der Stiftung Heiliger Franziskus, welche Bruder Böjte Csaba vor 28 Jahren in Deva gründete. Inzwischen sind es 80 Heime in ganz Rumänien.

Gheorgheni ist eine Kleinstadt im Osten Siebenbürgens und liegt in einem Becken der Ostkarpaten. Die vorherrschende Sprache ist Ungarisch, auch wenn die meisten Leute Rumänisch ebenfalls fliessend beherrschen würden. Dies liegt daran, dass diese Region vorwiegend von Szeklern besiedelt ist, einer Minderheit in Rumänien.Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Gebiet Ungarns umverteilt, darunter auch Siebenbürgen, welches nun zu Rumänien gehört. Szekler sind somit ungarisch sprechende Rumänen, auch wenn sie sich niemals als Rumänen bezeichnen würden. So viel zum szeklerischen Nationalstolz.

 

Min Alltag

Was ich hier den ganzen Tag mache? Rund dreissig Kinder im Alter von fünf bis achtzehn Jahren fanden im Heim ein neues Zuhause. Zusammen mit zwei anderen Betreuern sorge ich für ein wohlgeordnetes Zusammenleben. Dabei bin ich für die Kleinsten von fünf bis zehn Jahren verantwortlich, auf Ungarisch unsere «Kitchis». Um sechs Uhr früh startet der Tag. Wecken, beim Anziehen helfen, Frühstück und Znüni vorbereiten. Währenddessen wird das ganze Haus von den Älteren geputzt, bevor wir uns um viertel vor sieben in der Hauskapelle versammeln, um mit einem gemeinsamen Gebet in den Tag zu starten. Gebete, die ich auch nach einem Monat nicht beherrsche, da mein Ungarisch nach wie vor ziemlich bescheiden ist. Mich verständlich machen kann ich inzwischen recht gut und auch das Verstehen klappt von Tag zu Tag besser. Was die Kleinen von mir wollen, ist auch nicht besonders schwierig zu verstehen, inzwischen denken sie, ich würde alles verstehen! Doch was in den Kaffeepausen am Morgen beispielsweise besprochen wird – keine Ahnung; ich verstehe nicht einmal die Hälfte.

Zurück zum Tagesablauf: Nach dem Frühstück mache ich die Kleinen für die Schule startklar. Sind sie gegangen, habe ich das Haus für mich. Doch nichts mit Pause. Die Wäsche will gewaschen, gehängt und zusammengelegt werden, das Haus sauber geputzt, entstaubt und aufgeräumt werden, die Pflanzen gegossen werden. Ist dies erledigt, ist bereits zwölf Uhr und Zeit, die Kinder von der Schule abzuholen. Zu Hause angekommen, sollten sie ihre Kleider wechseln. Rasch ist es dann bereits zwei Uhr, Mittagszeit. Das feine Essen (nagyon finom) wird jeweils von einer Köchin zubereitet, darauf kann ich mich immer freuen! Nach dem Mittagessen bin ich dafür verantwortlich, dass der Mittagsschlaf gehalten wird. Meistens keine ganz so einfache Angelegenheit! Ist es geschafft, helfe ich den Älteren bei den Hausaufgaben, Mathematik auf Ungarisch zu erklären, beherrsche ich inzwischen ziemlich gut! Herausfordernder sind da Rumänisch-Aufgaben, doch auch da kann ich erstaunlicherweise behilflich sein. Um sechs Uhr koche ich oder einer der anderen Betreuer das Abendessen. Viertel vor sieben besammeln wir uns wiederum in der Kapelle, um den Tag abzuschliessen.

Nach dem Abendessen um sieben Uhr läuft nicht mehr viel. Die Kinder unter die Dusche stecken und bettfertig machen, etwas Fernsehen und um acht Uhr Nachtruhe. Theoretisch, denn auch das ist jeden Abend ein grosses Theater, das nie ohne Schreien und Weinen vonstatten geht. Am Abend bin ich dann so müde, dass ich nicht mehr viel tue. Fernsehen, mit den Älteren gesprächeln und dann ab ins Bett.

Innerhalb kürzester Zeit sollte sich dieser Tag jedoch ändern – Corona-Virus lässt grüssen. Auch hier sind die Schulen, sowie alle Läden geschlossen und wir sind unter Quarantäne. Ferienstimmung! Eine Stunden länger schlafen und etwa zehn Kinder weniger. Wie ernst diese Quarantäne ist, verstehe ich bis jetzt nicht. So darf ich zwar nicht auf den Spielplatz, man könnte sich ja anstecken, wohl aber auf Hirschgeweihsuche in die transsylvanischen Wälder. Diese sind riesig, aber zur Zeit ist es ziemlich gefährlich, alleine darin unterwegs zu sein. In den hiesigen Wäldern leben viele Bären, die gerade Junge haben. Und somit ziemlich aggressiv werden könnten, wenn man ihr Territorium betritt. Wer schafft es nun, sich von der Gruppe zu separieren, plötzlich alleine unterwegs zu sein und sich in einem unbekannten Wald zu verlaufen? Ich. Wer hätte auch etwas anderes erwartet. Ich hatte definitiv einen Schutzengel und viel Hilfe von oben, dass ich aus dem Dickicht herausfand und einen Weg fand. Wo ein Weg ist, ist ein Ziel. GPS und Telefonaten sei Dank schlug ich die richtige Richtung ein und fand mich am Waldrand wieder. Dort gabelte mich die Gruppe wieder auf. Dass ich nicht in Panik verfiel und die Sache den Umständen entsprechend locker anging, ist für mich das grösste Wunder. Ganz im Gegensatz zu Pali, dem Leiter des Heimes. Der Stein, der ihm vom Herzen fiel, als er mich sah, war fast schon hörbar!

Am nächsten Tag nahmen sie mich dennoch wieder mit, wenn ich mir auch viel verdienten Spott gefallen lassen musste, ob ich noch da sei. Igen, itt vagyok!

Es itt jol esz, hier bleibe ich!